[2] Wellen aus Feuer

Die rote Erde knirschte unter ihren Hufen, als sie sich niederliess und die beiden Brüder auf ihren Schoss zog.
Der Wind strich ihr sanft durchs Haar, um dann stoßartig wiederzukehren und sie zu zwingen überrascht von seiner Wucht die Augen zu schliessen. Ihre Nüstern blähten sich und ihr Blick heftete sich an den Horizont. Der Bergkamm der sich um das kleine Tal erstreckte wurde durch die untergehende Sonne in ein warmes Licht getaucht und täuschte für den Moment über die Kälte des Herbstwindes hinweg. Sie hatte gut daran getan das warme Tuch aus Schurwolle um ihre Schultern zu legen und rückte etwas näher ans Feuer. Es herrschte noch geschäftiges Treiben um die Feuerstelle, die Schamanin aus dem Stamm der Grimmtotem war noch nicht eingetroffen und viele Plätze welche für all jene bereitgestellt worden waren, die ebenso dem Tanz der beiden Schamanen beiwohnen wollten, waren noch leer. Ein Jäger brachte eine reich belegte Platte und stellte sie an den erstbesten Platz der sich ihm bot, getrocknetes Kodofleisch, Beeren, Nüsse, Pilze und saftige Rehbrocken würden heute Nacht den Grimmtotem als Mahlzeit dienen. Beim Anblick der Köstlichkeiten schluckte Ruwa leer und mahnte sich selbst zur Geduld, auch wenn solche Zusammentreffen selten waren, das Festmahl würde noch früh genug beginnen.


Ein Nachtvogel stiess dreimal seinen Ruf aus ehe er wieder verstummte. Niemand schien darauf zu achten, Ruwa jedoch suchte mit ihren Blicken die Wipfel der hohen Nadelbäume ab und versuchte den "Sänger" ausfindig zu machen. Es war ihr als hätte der Vogel eine Nachricht für sie und es schien als wäre sie dringlich. Schmunzelnd über ihre eigenartigen Gedanken zuckte sie mit den Schultern, lauschte jedoch weiterhin angespannt, vielleicht regte sich der Vogel erneut. Ihre Bürder waren bereits ermattet vom Tag und dem reichlichen Essen, in ihrem Schoss eingeschlafen, ihr Kreuz begann langsam zu schmerzen und sie drückte ächzend den Rücken durch.
Sein Blick traf sie völlig unvorbereitet, oder hatte sie zuerst in seine Richtung gesehen? Alles schien vergessen zu sein... sie verlor sich völlig in diesen hypnotischen, hellbraunen Augen die sie nie zuvor gesehen hatte. Erneut hörte sie einen Ruf, diesmal schien er direkt aus den Augen dieses Shu´halo zu dringen. Sie hörte in klar und deutlich, wie Wellen aus Wasser brandete er durch ihren gesamten Körper, und brachte ihn trotz der kalten Nachtluft zum Glühen. Ruwa blinzelte und zupfte um Zeit zu gewinnen an der Decke welche ihre beiden Brüder wärmte. Vorsichtig sah sie wieder auf, langsam genug um den Blick wieder schnell abwenden zu können, sollte er noch immer in ihre Richtung sehen. Er tat es nicht... erleichtert musterte sie ihn aus halbgeschlossenen Augen und legte dabei den Kopf schief. Das Holz des Feuers knackte und entliess einige Funken aus seinen Diensten und schickte sie auf eine kurze, jedoch nicht wenig abenteuerliche Reise. Ruwa duckte sich unter einem besonders großen Funken hinweg und ihre Blicke trafen sich erneut. Diesmal hielt sie ihm stand, der Ruf war beinahe verklungen, nur das leichte Wogen einer Wasseroberfläche war noch im Innern zu spüren und die Hitze hatte sich in eine wohlige Wärme verwandelt. Sie lächelte schüchtern und zuckte erschrocken zusammen als Schamanin Eulenfeder sie anstarrte und mit ihrem Stab auf sie deutete...

Als sie das Feuer hinter sich gelassen hatten und eine Weile in der Nacht gewandert waren, atmete Ashkwe Eulenfeder hörbar ein und öffnete die Arme weit, den Blick Richtung Sterne gerichtet. Leise Trommelklänge waren in der Ferne zu hören, das Fest war in vollem Gange.
"Spürst du es?" Sie lächelte als sie diese Worte aussprach und Ruwa wusste, dass die Schamanin keine Antwort erwartete.
Natürlich spürte sie es.
Sie tat es ihrer Lehrerin gleich, legte den Kopf zurück, besah sich das Funkeln der Sterne und umarmte die Welt...

Ruwa schloss irgendwann die Augen und konzentrierte sich darauf an nichts zu denken, die Energie die in ihre Hufe drang, die Knöchel emporwanderte bis hoch in die Spitzen ihrer Hörner nahm sie in tiefer Dankbarkeit entgegen. Die Erdenmutter war heute großzügig.
"Der Weg des Cenarius...was bedeutet das?"
Ruwas Stimme klang leise, so, als hätte sie große Angst vor der Antwort. Ashkwe wiegte ihr schweres Haupt hin und her und liess sich ins hohe Gras fallen, auf dem Rücken liegend betrachtete sie weiter die Sterne und zuckte schliesslich mit den Schultern. "Ich denke, kleine Ruwa, dass Wegbereiter Mathok sich bald mit einigen Brüdern und Schwestern zu den Kindern der Sterne aufmachen wird." Einige Zeitlang hielt sie inne und setzte hinzu:" Sie werden es wissen." Ruwa legte sich langsam neben Ashkwe ins Gras, tausend Fragen warfen sich auf, und dennoch stellte sie keine Einzige, Antworten waren etwas kostbares, Ashkwe hütete sie gut.