Gruppenstart - Die Aldor
Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.

[4] Wenn nichts bleibt...

Nach unten

[4] Wenn nichts bleibt... Empty [4] Wenn nichts bleibt...

Beitrag  Elena Di Okt 13, 2009 12:44 am

"Ehrwürdige Schamanin." Ruwa verbeugte sich förmlich und
strich ihren Rock glatt. Behände liess sie sich auf die Knie gleiten und füllte zwei Becher mit einem Kräutersuud. "Ah ich danke dir kleine Ruwa." Die Frau lächelte und schloss ihre vom Alter beinahe blinden Augen wieder. Ruwa vermutete, dass die Schamanin wieder eingedöst war und rückte in eine bequeme Position, nachdenklich nippte sie immer wieder an dem Tee.
Schamanin Eulenfeder seufzte tief und setzte zu sprechen an, zögerte jedoch für einen Moment.
Ruwa blickte auf und besah die Frau abwartend.
"Es sind viele Sommer vergangen seit du das Erstemal in mein Zelt gekommen bist. Heute hast du es das letzte Mal getan. Die Ahnen haben mir davon berichtet. Sag mir Ruwa, bist du es leid meinen Lehren zu lauschen?"
Ruwa schüttelte enrgisch den Kopf. "Aber nein Mutter Eulenfeder, ich komme gern zu euch und lerne jedes Mal soviel, dass ich Tage lang darüber nachdenken muss... natürlich werde ich morgen wieder kommen."
Die Schamanin schwieg und kaute auf ihrer Unterlippe. Ihr Gesicht war von Trauer durchzogen, als sie wieder sprach. "Dann hat es andere Gründe." Sie zögerte ein weiteres mal.
"Ruwa? Dein Vater und ich haben dich alles gelehrt was du wissen musst, um dem dir bestimmten Pfad zu folgen. Ich bete zu der großen Erdenmutter, dass sie ihre segnenden Hände über dich hält und dich vor allem Unheil schützt." Ruwa setzte zu sprechen an, doch die Alte verfiel in lautes Schnarchen, was ein sichers Zeichen war, dass die Unterredung beendet war.
Als Ruwa das Zelt verlassen hatte öffnete die Schamanin ihre Augen wieder, starr vor Angst und dennoch... lag eine eigenartige Ruhe darin.



Laute Rufe waren es die sie weckten, die beiden hochgewachsenen Jungen starrten sie - ebenfalls erwacht- aus weit aufgerissenen Augen an. "Was ist da los?" zischte Ruwa über ihr Lager hinweg und schlug das Fell zurück in welches sie sich gehüllt hatte. Die Luft war geschwängert von Rauch und lautes Prasseln von Feuer drang an ihre Ohren. Eilig zog sie sich mehr oder weniger dürftig an und stürtzte zum Eingang des Zeltes, den Jungen beudeutete sie ruhig sitzen zu bleiben und spähte hinaus. Sie keuchte und trat zurück in die Mitte ihres Zuhauses.Die Plane wurde energisch zurückgeschoben und ihr Vater stürmte herein, mit schnellen Handgriffen hatte er den beiden Jungen Feuerwaffen in die Hände gedrückt und Ruwa zwei kleine Mädchen, die voller Panik schrien und weinten. "Ruwa" bellte er, nimm die Kinder und lauf zum Waldrand, sieh dich nicht um. Folgen wir nicht, lauf weiter, so schnell du kannst."
Mit diesen Worten schob er sie aus dem Zelt und stiess sie grob in Richtung Waldrand, ohne noch weiter nachdenken zu können, setzte sie sich in Bewegung, ein Mädchen unter den Arm geklemmt, das andere hintersich herzerrend. Natürlich blickte sie sich um... und das was sie sah würde sich auf ewig in ihre Gedanken brennen, doch vorerst hatte sie diese Kinder in Sicherheit zu bringen.

"So... " flüsterte Ruwa mit der größtmöglichen Ruhe die sie aufbringen konnte. "Hier seid ihr sicher." Sie zog eine Decke über die kleinen Körper und umarmte jedes der Mädchen nocheinmal. "Ich werde jetzt eure Mutter suchen gehen und komme ganz schnell wieder zurück, einverstanden? Ihr müsst hier sitzen bleiben. Und ganz ganz still sein, so still ihr könnt. Die Ahnen werden euch Gesellschaft leisten und die Blätter und Sträucher singen euch ein Lied." Die beiden völlig verstörten Kinder nickten stumm und kuschelten sich aneinander. Ruwa liess sie schwerenherzens zurück, aber sie musste einfach wissen was in ihrem Dorf geschah... und ob es überlebende gab. Die Sonne war noch immer nicht aufgegangen, sie war tief in den Wald gerannt, doch niemand hatte sie verfolgt. Ihr Vater und ihre Brüder jedoch auch nicht...
Als die Schreie aufgehört hatten hatte sie sich dazu entschlossen zurückzukehren, die Angreifer mussten abgezogen sein. Mit weitausgreifenden Schritten eilte sie zurück zum Camp, sie war nicht weit gekommen, als sie sich auf alle Viere niederliess und sich mehrmals übergab. Nicht unweit von ihr die toten Körper ihrer Familie.


Sie spuckte ein letztes mal ins Gras um den gräßlichen Geschmack aus dem Mund zu bekommen und fuhr beim Knacken des Zweiges herum. Für einige Momente... es war ihr als wäre es eine Ewigkeit... sah sie dem Krieger direkt ins Gesicht. Er lächelte das Lächeln eines Überlegenen und zog mit großen Schritten einen Kreis um sie, er ging langsam, er liess sich Zeit, es war offensichtlich dass er sein letztes Opfer für diese Nacht gefunden hatte und ihm nicht in den Sinn kam es rasch hinter sich zu bringen.
Ruwa verharrte regungslos im Gras, sie spürte die Erde unter ihr, sie spürte ihren Herzschlag, sie spürte die Energie die mit jedem Schlag in sie überging, sie durchflutete bis in die letzte Zelle und dann ihren Weg hinaus in die Welt fand. Sie spürte wie jeder Atemzug den sie nahm, gleichzeitig ihrem Gegenüber wiederum Atem spendete und umgekehrt... sie alle waren eins. Mit einer unendlich langsamen Bewegung erhob sie sich, die Hufe grub sie fest in die Erde um sich genügend Halt zu verschaffen, allein Ihr Augen folgten seinen Schritten. Mit jedem Fuss den er vor den anderen setzte kam er ihr näher, noch immer lächelte er.
"Du flehst nicht um dein Leben." stellte er fest.
"Nein." flüsterte sie.
Ein Windstoß fuhr durchs hohe Gras und riss an Ruwas Kleidern. Sie senkte den Kopf und schloss für einen Augenblick die Augen. Nicht unweit von ihr lag der reglose Körper ihres Vaters, neben sich seinen Stab, er hatte ihn im Moment seines Todes losgelassen. Wie gerne würde sie das vertraute Holz nun in ihren Händen halten, warm und rau.
Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. "Bedauerlich. Vielleicht wüde ich dir dein Leben schenken, wenn du darum bittest."

Er log.

Noch immer vollführte er den Kreisgang um sie, wie ein wildes Tier das Gewissheit hatte, dass seine Beute nicht entkommen konnte.
Babamm, babamm, babamm, babmm, babamm... der Pulsschlag der Erde war ein ruhiger. Sie passte den ihren an. Zögerlich suchte sie seinen Blick, sie hatte Angst, Angst um ihr Leben, Angst neben ihrem Vater und ihren Brüdern zu liegen, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben ihrer Bestimmung zu folgen, ohne ihrem Tod einen Sinn zu geben. In jedem Ende liegt ein Anfang... flüsterte der Wind tröstlich, innerlich stemmte sie sich gegen diese Worte, nein, es konnte noch nicht soweit sein!
Sie versuchte in seinen Augen zu lesen, doch da war nichts... nur Gier und vielleicht ein wenig Schmerz. Woher dieser Schmerz rührte...sie wusste es nicht, es war belanglos.
Langsam tastete sie nach dem Messer, dass sie benutzte um kleine Tiere zu häuten.
Er lachte erheitert auf und schüttelte den Kopf. "Pass auf, dass du dich damit nicht verletzt." Er lachte noch immer als er blitzschnell einen Schritt auf sie zu machte, sie am Handgelenk packte und sie an sich zog. Das Messer fiel stumm ins Gras.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich rapide, oder war es der der Erde? Die Energie um sie und in ihr, schwemmte förmlich über sie hinweg, sie war nicht länger ein Gefäss, sie war wie ein kleiner Stein im Wasser bestehend aus purer Lebenskraft.
"Zu schade um dich." in seiner Stimme schwang aufrichtiges Bedauern mit und doch zog er beinahe zeitgleich eine Klinge. Ruwa bäumte sich innerlich auf, all die Energie die sie unentwegt durchflutet hatte liess sie mit einem Schrei los. Nicht fähig darüber nachzudenken was sie da tat schleuderte es den Shu´halo zwei Meter zurück. Mit fassungslosen Mienen starrten sie sich für einen Moment an. Der Angreifer stiess seinerseits einen Schrei aus und hob die Waffe über seinen Kopf, mit drei raschen Schritten war er wieder bei ihr und holte aus. Die Stille im innern hatte sie eingeholt, da war nichts mehr... keine Energie, keine Kraft, kein Pulsieren der Erde, nichteinmal mehr ihren eignen Herzschlag spürte sie. Ruwa sackte im Gras zusammen und begrüßte die Waffe die auf sie niedersauste.
Ein überraschtes Keuchen durchdrang die Stille, der Arm des Angreifers wurde nach oben geschlagen und zeitgleich ein fremdartig aussehender Dolch in seine Seite gerammt. Er starb innerhalb weniger Sekunden. Ruwa blinzelte den Shu´halo der über ihr stand irritiert an. Schwarzes Fell... ihrem vermeintlichen Tod so ungeheuer ähnlich und doch völlig anders. Hellbraune Augen... Ruwa schüttelte benommen den Kopf. "Shoush?" Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Er fasste nach ihrem Unterarm und zog sie wortlos auf die Beine. "Oh Shoush..." schluchzend lehnte sie sich für einen Moment an ihn und flüchtete sich in die Wärme die sein Körper ausstrahlte.




Die Sanftheit in ihren Augen war verschwunden. Sie stand hoch aufgerichtet da, in ihrer rechten Hand trug sie den Stab ihres Vaters. Sie musterte die wenigen Überlebenden welche sich an der Grenze zum weitläufigen Brachland gesammelt hatten. Die zwei Mädchen die sie selbst in Sicherheit gebracht hatte, waren die einzigen Kinder die den Überfall überlebt hatten. Ihre Nüstern blähten sich beim Gedanken an die vielen verkohlten Körper die sie gesehen hatte. Sie mussten alle ins Haupthaus gepfercht worden sein, ehe die Grimmtotem es angezündet hatten. Sie schluckte leer und drehte das Gesicht in den Wind. Der Wind strich über ihr Haar, als wäre es die liebevolle Geste einer Mutter - sie war erleichtert, dass er den Geruch des Todes bereits weit fort getragen hatte. Die Stille im Innern war ihr beinahe unerträglich, der Schmerz und das Leid welche sie treffen sollten wie Faustschläge... blieben aus.
Nur ab und an, wenn sie am wenigsten damit rechnete, umklammerte der Schmerz ihr Herz und presste für ca. 10 Sekunden zu, in diesen 10 Sekunden...ja da krümmte sie sich, da zerrte und zog es an ihr, als würde man ihr tatsächlich körperliches Leid zufügen, aber den Rest der Zeit, waren diese besagten Sekunden um, fühlte sie nichts... nur Leere.
Wenn man Schreie erwartet, wenn man mit Tränen rechnet und dann nichts übrig bleibt als Stille und Leere... dann ist das vielleicht die größte Qual. Ruwa jedenfalls sah das so. Sie analysierte ihre Gefühlslage und ihr Verhalten als wäre sie eine Außenstehende und wahrscheinlich war dies um so erschreckender.
In den Sekunden des Leids, sah sie die Sonne durch das helle Fell ihrer Brüder streicheln, sah wie sie lachten und sich an sie klammerten, als sie noch klein und schutzlos waren. Sie sah sie laufen... schnell wie der Wind. Ihr Vater erzählte ihr einmal von den Regenläufern, seine Söhne hätten das nötige Geschick dazu gehabt. Sie alle waren tot. Tot.

Ruwa umschloss den Stab fester und atmete tief ein, so als würde sie die Ruhe die sie verloren hatte insich hineinsaugen wollen.
Elena
Elena

Anzahl der Beiträge : 47
Anmeldedatum : 02.10.09
Alter : 42

Nach oben Nach unten

Nach oben


 
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten